‚Tour du Canton de Wittenheim‘ ist ein komplett flaches Strassenrennen. Dies ist im Strassenradsport eher selten.
Normalerweise erfolgt die Selektion in einem Strassenrennen am Berg. Bei flachen Strassenrennen fällt die Entscheidung oft in einem Massensprint. Oder es löst sich in einer späten Rennphase eine kleine Spitzengruppe. Speziell ist auch, dass das Gewichts-Leistungs-Verhältnis, eine absolut entscheidende Kenngrösse im Radsport, in flachen Strassenrennen keine Rolle spielt. Somit können auch sehr grosse und schwere Fahrer um den Sieg mitkämpfen.
Die einzige Schwierigkeit, welche in flachen Strassenrennen zu einer Selektion führen kann, ist der Wind. Wenn das Feld mit über 50km/h durch die Gegend rast und dann in eine Seitenwindpassage abbiegt, reiht sich das gesamte Peloton wie an einer Schnur auf. Da der Windschatten bei Seitenwind nicht mehr viel nützt, muss voll gefahren werden, um das Hinterrad des vorderen Fahrers nicht zu verlieren. Denn wenn einmal eine Lücke entstanden ist, lässt sich diese bei starkem Wind kaum mehr schliessen.
Kommt es zu einem Massensprint, gibt es vor allem drei Faktoren, welche über das Endresultat entscheiden. Erstens kommt es darauf an, wieviel Kraft man noch übrig hat, um in der Phase vor dem Sprint im vorderen Teil des Feldes zu fahren und dort seine Position zu behaupten. Zweitens spielt die Risikobereitschaft eine Rolle. Jeder Fahrer will vorne fahren, weshalb die Positionen hart umkämpft sind, mit Ellbogen gearbeitet wird und trotz hohem Tempo alle Fahrer sehr eng nebeneinander fahren. Das Sturzrisiko ist in der Endphase ziemlich hoch, doch wer dieses Risiko nicht eingeht und sich aus dem Gedränge raushält, hat in flachen Strassenrennen keine Chance. Dritter Faktor ist die Sprintfähigkeit. Diese ist von Fahrer zu Fahrer unterschiedlich und vor allem genetisch bedingt. Gute Bergfahrer sind in der Regel schlechte Sprinter und umgekehrt. Der Sieger in einem Massensprint hat sich in der Regel also im Rest des Rennens geschont, hat keine Probleme das Risiko des Positionskampfes einzugehen und hat eine gute Sprintfähigkeit.
Unser Team bestimmte das gesamte Rennen mit. Bei Attacken waren wir von Beginn her immer dabei. Wie in einem flachen Strassenrennen zu erwarten, konnte sich in den ersten zwei Dritteln des Rennens aber niemand wirklich vom Feld absetzen. Zum Verhängnis wurde den Ausreissern vor allem eine 5km Rückenwindpassage auf schnurgerader Strecke, welche jeweils mit knapp unter 60km/h gefahren wurde. Bei so hohem Tempo hat das Feld gegenüber kleinen Spitzengruppen einen enormen Vorteil.
40km vor Schluss löste siche eine Dreiergruppe mit einem Teamkollegen. Kurz drauf folgte ich der Kontergruppe. Zu sechst konnten wir zu der Spitze aufschliessen und schnell eine Lücke zum Feld aufreissen. Da wir nach der Rückenwindpassage immer noch einen deutlichen Vorsprung auf das Feld hatten und alle wichtigen Teams in der Spitze vertreten waren, standen unsere Chancen sehr gut. Die Zusammenarbeit funktionierte aber überhaupt nicht. Jeder dritte Fahrer weigerte sich Führungsarbeit zu leisten oder war zu kaputt dazu. Da immer wieder jemand seine Führung ausliess, konnten wir nie über längere Zeit ein hohes Tempo aufrecht erhalten. Deshalb konnte nach ein paar Kilometern ein weitere 10-Mann Gruppe zu uns aufschliessen und nach 16km Flucht wurden wir wieder vom Feld eingeholt.
Ich war ziemlich frustriert, da wir bei guter Zusammenarbeit mit grosser Wahrscheinlichkeit vor dem Feld ins Ziel gekommen wären. Und schlussendlich waren vom Team Hörmann 4 Fahrer in der Spitze, was uns im Finale grosse Chancen auf einen Podestplatz eingebracht hätte. Nach dem Zusammenschluss mit dem Feld war ich ziemlich platt und konnte im finalen Massensprint nicht mehr viel ausrichten. Ich fuhr um Rang 50 über die Ziellinie.